Wenn das Wort „Alchemie“ fällt, denken viele Menschen an den „Stein der Weisen.“ Ein etwas weniger bekannter Traum der alten Meister, war die Herstellung von Alkahest: Eine Substanz, die jedes Material auflösen kann. Umsetzen ließ sich dieser Traum allerdings nicht. Seine Erfüllung würde (unter anderem) gegen einen der Grundsätze der Chemie verstoßen: Kein Material ist gegen alle Lösungsmittel beständig ist und umgekehrt vermag kein Lösungsmittel alle Materialen aufzulösen. Chemie ähnelt in dieser Hinsicht gewissermaßen dem guten alten Schere-Stein-Papier: Salptersäure (Schere) etwa löst Quecksilber (Papier) auf, nicht jedoch Gold (Stein). Dafür schlägt/löst Papier Stein.
Welche theoretischen Eigenschaften müsste also Alkahest besitzen, um die Regeln des Spiels zu brechen? Lagerfähigkeit wäre zumindest keine davon. Alkahest würde jeden Behälter angreifen, in den man es stecken könnte. Dieser Problematik war sich auch der Alchemist Philalethes bewusst, weshalb er die Definition des Wundermittels einfach änderte: Alkahest, so meinte er, löse chemische Verbindungen lediglich in deren Elemente auf. Diese Überlegung schafft allerding ein neues Problem. Alkahest müsste einerseits selbst die stabilsten chemischen Verbindungen auflösen, dürfte aber andererseits auch mit den reaktivsten aller Elementen keine solche eingehen. Eine solche Substanz wäre ebenfalls relativ fiktiv. Außerdem könnte es Gold nicht besser angreifen als die oben genannte Salpetersäure. Mir persönlich ist da der Gedanke an ein reines Universallösungsmittel eine Spur sympathischer.
Interessanterweise gibt es eine real existierende Substanz, die diesem Ideal einigermaßen nahe kommt: Das Heliumhydrid-Kation HeH+. Allerdings existiert es wortwörtlich nur für sich allein. Kommt ihm ein fremdes Atom oder Molekül zu nahe, „übergibt“ ihm das Helium sein Proton sofort. Auf den ersten Blick würde dies HeH+ zur stärksten existierenden Säure überhaupt machen. Auf den zweiten Blick jedoch sieht die Sache ein klein wenig anders auch. Eine Säure besteht neben einem (oder mehreren) Protonen nämlich auch aus einem Anion. Grob vereinfacht ausgedrückt, reißt das Proton einzelne Atome des anzugreifenden Materials heraus. Das Anion bindet diese Teilchen anschließend und sorgt so dafür, dass sie in Lösung bleiben. He trägt aber keine Ladung. HeH+ könnte somit zwar jede Substanz „angreifen“, aber im Anschluss nicht auflösen. Ähnlich, aber weniger dramatisch sieht die Situation bei Salpetersäure und Gold aus: Weil die Säure einzelne Goldatome zwar herauslösen, aber nicht binden kann, wandern diese wieder zurück in das Metall. Nach außen hin sieht es aus, als wäre nichts geschehen.
Man müsste HeH+ also um ein passendes Anion ergänzen. In diese Richtung gehende Überlegungen gibt es sogar bereits. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass HHeF theoretisch herstellbar wäre. Leider würde die Freude über dieses Molekül nur recht kurz wären. Seine berechnete Existenzdauer liegt bei etwas mehr als 120 Pikosekunden (ps). Das wären knapp über 0,00000000012 s. Nachdem wir uns von Fragen der Anwendbarkeit aber bereits verabschiedet haben, soll uns die Vergänglichkeit unseres Universallösungsmittels nicht weiter stören.
Leider gibt es da noch ein zweites Problem: Um als Universallösungsmittel zu taugen, müsste HHeF in HeH+ und F- zerfallen. Leider neigt es sehr viele eher dazu, sich in He und HF zu spalten. HF ist zwar immer noch ein gutes Lösungsmittel – nur eben kein universelles. Aber immerhin bleibt uns eine relativ fiktive Vorstellung darüber, wie eine solche Substanz aussehen müsste.