Ein Bettler hatte einen Bruder. Dieser starb. Als der Bruder noch lebte, hatte er selbst keinen Bruder. Wie ist das möglich?
Dieses Rätsel, welches Patriarchix im Film „Asterix und Obelix gegen Caesar“ den titelgebenden Galliern stellt, lässt sich nur in klassischem Deutsch formulieren. Schreibe (und erst recht spreche) man von einer Bettler*in, fliege die Täuschung sofort auf und das Rätsel verliert seinen Reiz.
„Ancillary Justice“ von Ann Leckie dreht diesen Spieß um: Es wird fast durchgehend nur die weibliche Form verwendet. Warum nur fast? Nun, das fiktive Volk der Radch, dem die Protagonistin Breq (mehr oder weniger) angehört, kennt nur ein Geschlecht. Andere Völker dagegen unterscheiden strikter. Dies sorgt für einige unvorhergesehene und daher gelungene Wendungen. Als etwa Breq auf eine Ärztin trifft, gibt sich diese erst im Laufe des Dialoges als Arzt zu erkennen. Noch eindrucksvoller wird es, als besagter Mediziner, Breqs nörgelnde Begleiterin als Begleiter entlarvt. Wen ich mir als zickige Frau vorstellte, entpuppte sich als verzogener Junge. Eine Charakterentwicklung allein aufgrund des Schreibstils – alle Achtung! Zusätzlich vollzieht die Figur im Laufe der Handlung eine Entwicklung. Die Autorin schafft es somit, eine Nebenfigur allein durch sprachliche Tricks doppelt interessant zu machen. Diese Leistung verdient Respekt.
Würde das Werk dagegen streng zwischen Geschlechtern unterscheiden, und / oder auf Gendersternchen oder Ähnliches zurückgreifen, ginge viel von seinem Reiz verloren. Die Geschichte wäre dann in den Augen mancher vielleicht korrekter – aber auch langweiliger.
An zwei Stellen möchte ich jedoch Kritik an der deutschen Übersetzung üben:
1. „Die Maschinen“ ist eine wirklich unglückliche Titelwahl. Sie hat weder mit dem Originaltitel noch mit der Handlung erkennbar viel gemein. Man stelle sich nur vor, aus „Brave New World“ würde „Die Menschen“.
2. Im Englischen gibt es verschiedene Versionen des Ranges „Lieutenant“ (First, Second, etc). Der deutsche Begriff „Leutnant“ ist viel enger definiert. War die verallgemeinernde Wortwahl bei den Geschlechtern überraschend angenehm, so ist sie hier leider störend. Man bekommt dem Eindruck, im gesamten Militär der Radch gäbe es nur einen einzigen Rang.
Trotz dieser kleinen Mängel, kann ich eine eindeutige Leseempfehlung aussprechen.