Sci-Fi – ein unterschätzter Begriff?

Derzeit beziehe ich meinen Lesestoff hauptsächlich aus einer Bibliothek. Hin und wieder zieht es mich aber in eine Buchhandlung. Solche Besuche sind aus einer Reihe an Gründen interessant. Wer offenen Auges durch so ein Geschäft spaziert, erfährt so manches über den Zustand des Buchmarktes. Fast so aufschlussreich, wie die Titel der angebotenen Werke, ist deren Anordnung im Raum. Wie bei einem Supermarkt, wird hier nichts dem Zufall überlassen. Je höher die Verkaufschancen sind, die man einem Buch einräumt, desto weiter vorne wird es platziert. Aktuelle Bestseller haben einen Sonderplatz direkt beim Eingang. Es handelt sich hierbei um Werke, über die die Welt momentan spricht und die sie daher kauft: Vorlagen anlaufender Blockbuster, Details zum jüngsten politischen Skandal, Auszüge aus dem Privatleben kürzlich verstorbener oder gerade erfolgreicher Prominenten.
Knapp dahinter stapeln sich Werke, die nicht zwingend die Gegenwart abbilden, aber erfahrungsgemäß oft gekauft werden. Hier trifft man auf die neuesten Krimis, Thriller und Liebesgeschichten.

Ein wenig tiefer im Geschäft finden sich die zeitlosen Klassiker: Bücher, die selbst hundert(e) Jahre nach ihrem Erscheinungsdatum gerne gelesen werden. Die Palette reicht von Romanen („Der Graf von Monte Christo“) bis hin zu Gedichten („Die göttliche Komödie“).

An der Rückwand, im wortwörtlich letzten Winkel des Raumes, sind schließlich jene Werke untergebracht, denen die Verkäufer nur Nischenerfolge zutrauen. Missmutig stand ich vor einem etwa ein Meter breitem Regal, mit der Aufschrift „Science Fiction“. Selbst für klassische Autoren, wie Stanislaw Lem oder Philip K. Dick, war weiter vorne kein Platz.

Schulterzuckend wandte ich mich erneut dem Tisch der Zeitlosen zu, in der Hoffnung, mir war etwas entgangen. Und tatsächlich lag dort, neben anderen unsterblichen Werken eine Ausgabe von „Die maschinellen Technokraten“ (ok, kleiner Scherz). Nein, ich sah einen wahren Klassiker: „1984“ (Verlinkung unnötig). Interessanterweise fehlte das Buch im Science-Fiction-Regal. Doch dies blieb nicht die einzige Überraschung. In einer anderen Ecke des Raums erblickte ich eine Ablage mit der Aufschrift „Fiktion“. Da kam mir ein Satz von Margaret Atwood in den Sinn.

Science fiction has monsters and spaceships; speculative fiction could really happen.

Da wurde mir klar, dass der bescheidene Ruf der Sci-Fi vielleicht auf einem Missverständnis gründet. Frau Atwood etwa sieht in eine Vertreterin der „Speculative Fiction“. Möglicherweise zog Marcel Reich-Rainicki die Genregrenzen ebenfalls enger, als ich. Sollte er „1984“ nicht gelesen haben, so wäre dies kein Ruhmesblatt für den „Literaturpapst“.

Welche Lösung bietet sich für Sci-Fi-Autoren an? Eine Möglichkeit bestünde darin, es Frau Atwood gleichzutun und sich vom Genre zu distanzieren. Wikipedia etwa bezeichnet „Blackout“ als Technik-Thriller. Es ist natürlich legitim, eine Sparte weiter zu unterteilen. Speziell die Sci-Fi ist extrem reich an Unterkategorien (Cyber Punk, Utopie, Dystopie, etc.). Ich finde es aber edler, einem Begriff die Anerkennung zu verschaffen, die ihm zusteht, als ihn aus Furcht, in eine Schublade gesteckt zu werden, fallen zu lassen. Erinnern wir die Leser doch lieber daran, welche Vielfalt unser Genre bietet. Ich bin mir sicher, viele werden positiv überrascht sein.

 

 

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