Wie habe ich es mit dem Gendern? Teil 1: Meinungsfreiheit und gute Absichten

Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.

Dieser Satz wird oft fälschlicherweise Voltaire zugeschrieben. Tatsächlich stammt er von Evelyn Beatrice Hall. Auf den ersten Blick wirkt dieses Zitat ausgesprochen überzeugend. Bei näherer Betrachtung stechen aber zwei Aspekte ins Auge. Zum einen besitzen die meisten Menschen nicht genügend Mut, um ihr Leben für die Meinungsfreiheit ihres nächsten zu opfern. Zum anderen erscheint dies nicht immer sinnvoll. Manche Ideologien und Weltanschauungen sind zu recht geächtet. Aus idealistischer, liberaler Sicht, mag das Verbotsgesetz eine Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeuten. Historisch betrachtet, handelt es sich aber um eine schlichte Notwendigkeit. Hier treffen wir auf das sogenannte Böckenförde-Paradox:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.

Totalitäre Ideologien und Meinungsfreiheit schließen sich gegenseitig aus. Will man das eine erhalten, muss man das andere unterdrücken. Die Sache geht aber tiefer. Hierzu ein kleines Gedankenexperiment:

2 Menschen, A und B, diskutieren in einer Bar über eine anstehende Wahl. Person A ist selbstbewusst und besitzt deutlich kräftigere Lungen, als die Gegenseite. Nach einer Weile hört A nicht mehr zu reden auf und wird dabei sogar immer lauter. B, kann dieser Sprachgewalt wenig entgegensetzen und verstummt zusehends. Streng genommen beeinträchtig A somit die Meinungsfreiheit von B. Doch A redet bloß. Ihr dies zu verbieten, stellt wieder eine Einschränkung dar.

Wir sehen, die Philosophie der absoluten Meinungsfreiheit ist in sich widersprüchlich. Gewisse Verbote sind leider notwendig. Doch was ist mit deren Gegenteil?

Sprachgebote
Hier wird die Sache komplizierter. Das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet das Recht, bestimmte Formulierungen nicht auszusprechen. Im Gegensatz zur absoluten Freiheit liegt hier kein Widerspruch vor. Gehen wir zurück zur Bar.
Wenn Person B nach einer Weile die Diskussion schweigend abbricht, schränkt sie die Gegenseite dadurch nicht ein. A kann unbekümmert weiterreden. Es hört nur niemand mehr zu. B dazu zu zwingen, das Gespräch weiterzuführen, wäre eine absolute Einschränkung ihrer Freiheit.
Aus liberaler Sicht sind Sprachgebote somit rundherum abzulehnen. Sie können allenfalls an eine freiwillige Mitgliedschaft gekoppelt werden. Entschließt man sich etwa, dem Militär beizutreten, so akzeptiert man den entsprechenden Verhaltenskodex. Postet jemand in einem Forum, so gibt er sich mit dessen Rahmenbedingungen einverstanden.
Bedenklich wird es, wenn besagte Organisation eine Monopolstellung innehat. Gewissen Gruppierungen können sich weite Teile der Bevölkerung nicht, oder nur unter großen Opfern, entziehen. Beispielsweise ist für viele Berufe ein Studium die Grundvoraussetzung. Beschließt eine Hochschule daher Sprachgebote, so schränkt sie aktiv die Meinungsfreiheit von Teilen der Bevölkerung (ihren Studenten) ein. Beispiele lassen sich einige finden:

Es wird gerne argumentiert, dass derartige Sprachgebote der Gleichberechtigung dienen. Mir drängt sich aber der Verdacht auf, dass es sich hierbei um Ablenkungsmanöver handelt. In Deutschland und Österreich sind jeweils 50 % der Studienanfänger weiblich. Will man Frauen fördern, so wäre es ratsam, Pflichtpraktika besser zu entlohnen. Da in Österreich auch die Mehrheit der Absolventen weiblich ist, würde sich zudem eine Erhöhung der Anzahl unbefristeter Arbeitsverträge anzubieten. Wie aber die aktuelle Diskussion um das Thema „Kettenvertragsregel“ deutlich macht, vergessen viele Hochschulen gerne ihre Überzeugungen, sobald es ums liebe Geld geht. Angesichts dieser Haltung, fällt es schwer, sie als moralische Instanz ernstzunehmen.
Zusammenfassend ist meine Meinung im Bezug auf die Genderthematik daher folgende: Wer will, der gendere, wer nicht, der lasse es. Eine Gesellschaft, die sich selbst als liberal betrachtet, muss dies aushalten.
Wem es wirklich um Gleichberechtigung geht, der sollte bereit sein, hierfür Geld auszugeben und nicht auf die billigste Lösung schielen. Alles andere ist unglaubwürdig.

Im folgenden Beitrag befasse ich mich mit stilistischen Aspekten und erörtere, wieso ich schreibe und spreche, wie ich das tue.

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