Radioaktive Strahlung und Leben – für die meisten Menschen schließen sich diese zwei Begriffe wohl eher aus. Wie bei so vielen Themen gilt auch hier jedoch das Prinzip von Paracelsus: Die Dosis macht das Gift. (Tragisches Detail am Rande: Der Mitbegründer der Toxikologie starb vermutlich an einer selbstverursachten Quecksilbervergiftung).
So wie ein zu langes Sonnenbad die Haut versengt, ist radioaktive Strahlung ab einer bestimmten Größenordnung nicht mehr mit dem Leben vereinbar. Umgekehrt heißt das aber auch, dass es nicht nur sichere, sondern womöglich sogar förderliche Dosen gibt. Ein gutes Beispiel hierfür ist der entzündungshemmende Effekt einer Behandlung mit Radon in sogenannten Heilstollen.
Laut Betreiberhomepage beruht die Wirkung auf (wenig intensiver) Alphastrahlung (streng genommen handelt es sich daher um geladene Teilchen und nicht um „klassische“, Strahlung). Aber auch in puncto Gammastrahlung wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zumindest diskutiert: Es gibt Indizien, wonach sie bei entsprechend niedriger Dosis die Lebenszeit von Säugetieren verlängern könnte. Zugegeben, mehr als eine Vermutung scheint es diesbezüglich noch nicht zu geben.
Für ein eindeutigeres Beispiel müssen wir uns in das Reich der Pilze begeben. Wissenschaftler fanden heraus, dass stark pigmentierte (d.h. optisch geschwärzte) Formen von Wangiella dermatitidis, sowie Cryptococcus neoformans deutlich schneller wuchsen, wenn sie dem 500-fachen der üblichen Hintergrundstrahlung ausgesetzt wurden. Scheinbar sind diese Pilze in der Lage, sich „bräunen“ zu lassen – nur eben durch zerfallende Atomkerne statt durch die Sonne. Sie tun das jedoch offenbar nicht bloß zum Schutz. Wie die Autoren anmerken, sind die meisten Pilze auch ohne „Bräunung“ sehr robust gegenüber Gammastrahlung: Bis zu 17 000 Gy können überstanden werden (ein Mensch hat bei etwa 8 Gy schon keine Überlebenschance mehr). Aber die Publikation hat noch mehr zu bieten: Der Pilz Cladosporium sphaerospermum (er wächst unter anderem an so netten Orten wie dem Kraftwerk von Tschernobyl), konnte dank Bestrahlung sogar auf nährstoffarmen Medium (etwa ohne Zucker) gedeihen – mit „unsichtbarem Licht“ wuchs er deutlich stärker, als ohne.
Scheinbar wird die Gamma- oder generell ionisierende Strahlung von gewissen Pilzen zumindest teilweise als Energiequelle benutzt. Es macht Sinn. Grüne Pflanzen „ernähren“ sich schließlich von Sonnenlicht. Schwarze Pilze brauchen eben etwas Härteres. Wobei „brauchen“ möglicherweise der falsche Begriff ist. Gammastrahlung scheint das Wachstum nur zu beschleunigen, nicht aber grundsätzlich zu ermöglichen. Aber gut: Medizinisch betrachtet, würde etwa der menschliche Körper auch ohne externe Zufuhr von Zucker auskommen. Nur wer würde das wollen? Schokolade oder Gammastrahlung – jeder hat so seine Schwächen.
Spannend wäre noch die Frage, ob es ein Lebewesen geben könnte, dass seine notwendige Körperwärme nicht durch chemische, sondern nukleare Vorgänge generiert. Das wäre dann ein Thema für einen künftigen Beitrag.
1 Antwort zu “Leben mit Atomantrieb?”